Ausgezeichnet

Der Literaturpreis Ruhr 2025

In Duisburg wurden Hauptpreis, Förder- und Ehrenpreis vergeben

Der Hauptpreis geht an Çiğdem Akyol, überreicht von RVR-Regionaldirektor Garrelt Duin. Im Hintergrund: Moderatorin Sabine Heinrich. Foto: Volker Wiciok

Der mit 15.000 Euro dotierte Hauptpreis geht an Çiğdem Akyol für ihren Roman „Geliebte Mutter – Canım Annem“.

Damit hatte sie wirklich nicht gerechnet: Als Garrelt Duin, Regionaldirektor des RVR, den Namen der Preisträgerin verlas, machte Çiğdem Akyol auf der Bühne des Lehmbruck Museums beinahe geschockten Eindruck. Die geborene Hernerin hatte sich gegen die vier Mitnominierten Annika Büsing („Wir kommen zurecht“), Ines Habich-Milović („Dein Vater hat die Taschen voller Kirschen“), Judith Kuckart („Die Welt zwischen den Nachrichten“) und Mascha Unterlehberg („Wenn wir lächeln“) durchgesetzt.

In „Geliebte Mutter – Canım Annem“ erzählt Çiğdem Akyol unerschrocken und sprachlich virtuos von einer Familie zwischen Istanbul und Herne, von einer unglücklichen Ehe, enttäuschten Hoffnungen in Alemanya und viel Gewalt, aber auch von unbedingtem Freiheitswillen und Aufstieg durch Bildung. Der Roman habe „einen enormen emotionalen Glutkern“, lobte die Jury: „Ein herausragendes Debüt, stilistisch überzeugend und gesellschaftlich relevant.“

Die Videolaudatio der Jury:

Den mit 5000 Euro dotierten Förderpreis erhält Julia Regnath für ihre Erzählung „Erosion“.

Mit Julia Regnath werde eine Nachwuchsautorin ausgezeichnet, deren knapper Text „Erosion“ auf drei Seiten mehr wage als andere auf 300, sagt Jurymitglied Tilman Strasser in seiner Laudatio. Der Text mache es den Leser*innen nicht leicht, weil er viele Formen mischt: „Aber aus dieser Formenvielfalt gießt die Erzählung ein schlüssiges Ganzes, ohne auch nur einen einzigen langweiligen Satz.“

Julia Regnath, geboren in Berlin, lebt und schreibt im Ruhrgebiet nach vorherigen Stationen in Stuttgart, Kopenhagen und Wuppertal. Sie arbeitet bei einer Versicherung als User-Experience-Strategin in der Softwareentwicklung. Daneben schreibt sie Kurzprosa und Lyrik, 2024 gewann sie dafür den Dortmunder Les.Art-Preis für junge Literatur. Sie ist Teil der Schreibgruppe „Text & Tacheles“ im Literaturhaus Dortmund und arbeitet derzeit an ihrem Debütroman.

Förderpreisträgerin 2025: Julia Regnath. Sie nahm die Auszeichnung für ihre Erzählung "Erosion" von Jörg Obereiner, Ausschuss für Kultur, Sport und Vielfalt vom RVR entgegen. Foto: Anna-Lisa Konrad

Den Ehrenpreis für besondere Verdienste um die Literatur im Ruhrgebiet bekommt Artur Nickel.

Artur Nickel habe den Ehrenpreis mehr als verdient, hob Laudator Ralph Köhnen von der Ruhr-Uni Bochum hervor, „für seine vielfache Agentenschaft als Literaturvermittler – und dort für eigentlich alles, was man im Literaturbereich so machen kann.“

Der 70-jährige, inzwischen pensionierte Deutsch- und Religionslehrer ist selbst Autor und Lyriker. Bereits 2000 hat er die „Essener Autor*innenschule“ gegründet, in der Jugendliche mit Autorinnen und Autoren Texte produzierten und bis zum Buchdruck begleiteten. Seit mehr als 20 Jahren gibt Nickel zudem die „Essener Anthologien“ heraus und hat damit inzwischen mehr als 2000 Kinder und Jugendliche zum Schreiben gebracht. Weitere Schreibprojekte richten sich an ukrainische Jugendliche oder arabische Frauen. Artur Nickel engagiert sich im Deutschen PEN, organisiert Lesungen für verfolgte Schriftstellerinnen und Schriftsteller im Exil und hat soeben im Kulturzentrum GREND in Essen-Steele den Literaturraum eingeweiht, der dort auf sein Betreiben gegründet wurde. „Die Nachrichten über seine Projekte“, so Laudator Köhnen, „werden nicht abreißen“.

Der Ehrenpreis besteht aus einer Skulptur des Künstlers Peter Schloss.

Ehrenpreisträger Artur Nickel mit Moderatorin Sabine Heinrich. Foto: Anna-Lisa Konrad

Über den Literaturpreis Ruhr

Der Literaturpreis Ruhr ist die wichtigste ideelle wie materielle Auszeichnung für Schriftstellerinnen und Schriftsteller, die im Ruhrgebiet leben, sowie für Autorinnen und Autoren von außerhalb, die über die Region schreiben. Er wird seit 1986 jährlich vom Regionalverband Ruhr vergeben und vom Literaturbüro Ruhr organisatorisch und konzeptionell betreut.

Für den Hauptpreis kamen herausragende Titel aus dem Ruhrgebiet und über das Ruhrgebiet in Frage, die im Zeitraum vom 1. Mai 2024 bis 30. April 2025 in einem Verlag oder per Selfpublishing erschienen sind. Fünfundfünfzig literarische Werke aus unterschiedlichen Genres standen auf der Leseliste der Jury. Der Hauptpreis ist mit 15.000 Euro dotiert.Der Förderpreis wird an Nachwuchsschriftstellerinnen und Nachwuchsschriftsteller vergeben, die im Ruhrgebiet leben. Er ist mit 5.000 Euro dotiert.

Mit dem Ehrenpreis werden eine oder mehrere Personen oder eine Institution für herausragende Verdienste um die Literatur im Ruhrgebiet oder für das literarische, literaturwissenschaftliche, literaturkritische, organisatorische oder verlegerische Gesamtwerk ausgezeichnet. Der Ehrenpreis ist kein Jurypreis, sondern er wird vom RVR in Absprache mit dem Literaturbüro Ruhr direkt vergeben.

Die Mitglieder der Jury für den Hauptpreis 2025 waren Christa Becker-Lettow, RVR-Ausschuss für Kultur, Sport und Vielfalt, Cathrin Brackmann, Journalistin, Moderatorin und Literaturexpertin bei WDR 4, Prof. Dr. Peter Goßens, Institut für Komparatistik an der Ruhr-Universität Bochum, Frank Goosen, Autor und Kabarettist, und Patrick Musial, Buchhändler, ehem. Buchhandlung Musial, Recklinghausen.

Die Jury für den Förderpreis 2025 setzte sich zusammen aus: Julienne De Muirier, Autorin, Inger Hachen-Jehring, RVR-Ausschuss für Kultur, Sport und Vielfalt, Prof. Dr. Ralph Köhnen, Germanistisches Institut an der Fakultät für Philologie, Ruhr-Universität Bochum, Literarische Gesellschaft Bochum, Lea Messerschmidt, Studentin und Journalistin bei Salon5 (CORRECTIV), Karsten Strack, Lektora-Verlag und künstlerischer Leiter des Literaturbüro OWL, Tilman Strasser, Autor und Literaturvermittler, und Walter Wandtke, RVR-Ausschuss für Kultur, Sport und Vielfalt.

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