Mailin: Also nur die Crème de la Crème! Können wir bei den deutschsprachigen Slam-Meisterschaften denn mit jungen Talenten aus der Region rechnen?
Jan: Ja, tatsächlich. Johanna Bauer hat sich zum Beispiel qualifiziert. Sie ist aus Duisburg und hat erst vor wenigen Wochen die deutschsprachigen U20 Meisterschaften gewonnen. Ich habe sie schon mehrfach auf Bühnen gesehen und kann wirklich sagen: dafür, dass sie gerade erst 18 geworden ist, sind ihre Texte verstörend gut. Die knallt gerade auch auf den Bühnen in NRW alles weg. Und es würde mich wundern, wenn das hier anders wird.
Mailin: Du hast vorhin schon über die Rolle des Poetry Slams im Ruhrgebiet gesprochen. Wie war denn die Entwicklung in den letzten Jahren?
Jan: Im Ruhrgebiet gibt es Poetry Slam schon ziemlich lange – fast 20 Jahre. Klar, am Anfang war das noch nicht so gestreut, das hat in den letzten Jahren nochmal einen guten Schwung erfahren. Es gibt viele neue Veranstaltungen, die aus dem Boden sprießen. Wir haben über 20 Veranstaltungen im Jahr – das ist schon sehr viel Poetry Slam, der in einer Stadt passiert, generell im Ruhrgebiet.
Mailin: Gibt es da irgendwelche Trends oder Besonderheiten, die du beobachten konntest?
Jan: Es gibt immer gerne das Klischee, dass die Leute im Ruhrgebiet nicht so gerne aus sich rauskommen, auch bei den Veranstaltungen. Und damit kann man ein Publikum auch mal piesacken, sodass sie dann für eine noch bessere Stimmung sorgen. Klar, der Ton im Ruhrgebiet ist ein klein bisschen rauer. Da kann man schon eher damit rechnen, dass wenn man eine rhetorische Frage ins Publikum stellt, mehr als eine Person antwortet. Aber das ist etwas, was ich sehr sympathisch finde.
Mailin: Welche Rolle spielt das Ruhrgebiet für die Poetry Slam Szene genau?
Jan: Ich würde drei starke Gebiete festmachen: das ist einmal klar Berlin, dann auch Hamburg und das Ruhrgebiet beziehungsweise NRW im Allgemeinen. Das Ruhrgebiet hat diese geballten Städte, die direkt nebeneinander liegen. Veranstalter dieses Festivals ist ja auch WortLautRuhr, die hier schon seit 15 Jahren aktiv sind. WortLautRuhr ist innerhalb der Poetry Slam Szene auf jeden Fall ein sehr bekannter Begriff. Hier finden viele Veranstaltungen statt, sehr viel Nachwuchsarbeit, auch viele Workshops. Dementsprechend sind hier einige Talente entstanden, die jetzt wie selbstverständlich durch ganz Deutschland oder den deutschsprachigen Raum touren. Das Ruhrgebiet als Veranstaltungsraum für Poetry Slams und WortLautRuhr speziell als Veranstalter haben schon einen recht hohen Stellenwert.
Mailin: Was glaubst du, wie Poetry Slam das Kulturangebot bereichern kann?
Jan: Poetry Slam zieht ein sehr junges Publikum an. Das heißt aber nicht, dass sich Ältere nicht dafür interessieren. In den Sälen sitzt die 16-Jährigen neben der 86-Jährigen – da sind sehr viele Generationen in einem Saal. So etwas beobachte ich eigentlich bei keinem anderen Literaturformat. Und am Ende eines Slams zu sehen, dass sich mehrere Generationen gemeinsam intensiv über Literatur in den Foyers austauschen – das ist etwas, womit ich nicht gerechnet hatte.
Mailin: Und was hat Poetry Slam in der Welt der Literatur für eine Bedeutung?
Jan: Ich glaube, dass Poetry Slam an sich eine super Gelegenheit ist, zu zeigen, dass Literatur sehr divers ist. Und wir haben hier ein Format, bei dem man auf großen Bühnen Lyrik sehen kann. Das ist auch eher selten. Aber es gibt eben auch Satire, Gesellschaftskritik, Storytelling und natürlich auch die lustigen Comedy-Texte. Es ist eine Mixed Show, wo wirklich jeder etwas für sich findet.