Literatur im öffentlichen Raum

Der Gladbecker Hör-Spaziergang ist da

"Gladbecker Lebensgeschichten. Die ganze Stadt ein Hörbuch" wurde eingeweiht

Plakette scannen, auf Play tippen und loshören: So bekommt man jetzt in Gladbeck Literatur auf die Ohren.

Sie sind in Gladbeck nicht zu übersehen: die literaturgebiet-orangen Plaketten mit den QR-Codes, hinter denen sich Geschichten von Gladbecker Bürgerinnen und Bürgern verbergen. Sie hängen im Rathauspark, am Hallenbad, an der Stadtbücherei, am Kulturamt und auch an der Moschee in der Wielandstraße. Überall in der Innenstadt und in den Stadtteilen Zweckel und Brauck gibt es was auf die Ohren. Einfach mit dem Smartphone den QR-Code scannen, im Audio-Player kurz auf den Pfeil tippen, und schon kündigt Dietmar Wunder (die Synchronstimme von „James Bond“ Daniel Craig) eine Geschichte aus Gladbeck an, gelesen entweder von Gerburg Jahnke, Sesede Terziyan oder Patrick Joswig.

Joswig kam persönlich zur Einweihung des Hörprojekts. Vier Texte hatte ihn Antje Deistler, die Leiterin des Literaturbüro Ruhr, schon im vergangenen Sommer im Hörspielstudio einlesen lassen, jetzt deklamierte er am Stein des Bergmanns die sehr komische Geschichte von „Taubenvatter Jupp Wroblewitz“, der im Jahr 1964 einer Taube aufs Dach folgte und dabei sein Gebiss verlor. Der Autor Walter Hüßmann hörte zu und amüsierte sich dabei über Joswigs Vortrag ebenso wie alle anderen Gäste dieses Einweihungsspaziergangs.

Patrick Joswig, Wahlberliner aus Bochum-Wattenscheid, las den "Taubenvatter Jupp Wroblewitz" von Walter Hüßhoff mit jeder Menge Ruhrpott-Charme.

Bürgermeisterin Bettina Weist erinnerte in ihrer Eröffnungsrede daran, dass die Gladbecker Lebensgeschichten aus einem Schreibprojekt zum 100. Stadtjubiläum entstanden waren, das 2019 gefeiert wurde. Sie begrüßte sehr, dass den Texten durch das Audio-Projekt von literaturgebiet.ruhr und Literaturbüro Ruhr nun sozusagen neues Leben eingehaucht wurde und sie dauerhaft im Stadtbild verankert wurden.

Die Texte spiegeln unterschiedlichste Perspektiven wider, handeln aber alle vom Leben in Gladbeck gestern und heute, zum Teil in beeindruckender literarischer Qualität. Es ergibt sich ein Kaleidoskop privater Geschichtsschreibung: Die Erinnerungen der Schreibenden gehen z. T. bis in den Zweiten Weltkrieg zurück, erzählen von der schweren, für Kinder aber auch abenteuerlichen Nachkriegszeit, von Kleinstadtkindheiten in den 1980er und 90er Jahren oder vom Ankommen im Ruhrgebiet und von den Brücken zwischen den Heimaten.

Bettina Weist, Bürgermeisterin der Stadt Gladbeck, erklärte das Projekt offiziell für eröffnet. Neben ihr: Schauspieler Patrick Joswig, eine der Stimmen in "Die ganze Stadt ein Hörbuch".

Mit Hilfe dieser Gladbecker Hörstationen können Spaziergänger in der Zeit zurückreisen, die Gegenwart ihres Wohnortes mit neuen Augen sehen oder auch aktuellere Entwicklungen der Stadtgesellschaft kritisch hinterfragen. Sehr private Erinnerungen wie „Der Baum im Garten“ von Henrike Lisch (Rathauspark und Schlosspark Wittringen) oder „Bäcker Jäger“ von Dorothee Schwers (am ehemaligen Café Schwarte) wechseln sich ab mit historischen Schilderungen und Recherchen: „Kriegskind“ von Heinrich Pemp etwa erzählt von einem Bombenangriff auf Gladbeck zum Ende des Zweiten Weltkriegs aus der Sicht eines verängstigten Jungen (zu finden am Kulturamt, der Jovy-Villa). „Fragen“ von Monika Finke-Lindenau eröffnet die Perspektive eines Schulmädchens auf einen Nazi-Arzt und Kriegsverbrecher, der sich mit seiner Familie eine Weile in Gladbeck versteckte (Rathausarkaden und Stadtmuseum am Schloss Wittringen). Den sehr gegenwärtigen, gesellschaftskritischen Text „Vierteljahrhundert Gladbeck“ von Duygu Söyler gibt es sowohl auf Deutsch (am kreativAmt), als auch auf Türkisch (an der Moschee an der Wielandstraße).

Autorin Dorothee Schwers probiert die Hörstation an den Rathausarkaden zusammen mit ihrer Enkelin aus.

Die Installation der „Gladbecker Lebensgeschichten“ ist ein Projekt des literaturgebiet.ruhr in Kooperation mit dem Literaturbüro Ruhr, der Stadt Gladbeck und dem Ruhrstadt Verlag, gefördert vom Ministerium für Kultur und Wissenschaft des Landes Nordrhein-Westfalen und der Stiftung für Kunst und Kultur der Sparkasse Gladbeck.

Das literaturgebiet.ruhr verfolgt dabei das größere Ziel, in möglichst vielen Städten des Ruhrgebiets Literatur in den öffentlichen Raum zu bringen. Schon im April eröffnet das nächste hochkarätige Audioprojekt in diesem Rahmen: zur Würdigung des großen Oberhausener Künstlers, Autors, Theater- und Opernregisseurs und Filmemachers Christoph Schlingensief. Dann in Kooperation mit dem Literaturhaus Oberhausen, unterstützt vom Theater Oberhausen, vom Land NRW, dem Kulturbüro der Stadt Oberhausen und dem Weiterbildungsinstitut Oberhausen.

Rainer Piecha und Hartmut Kowsky-Kawelke vom Literaturhaus Oberhausen sind begeistert vom "Hörbuch Gladbeck". Sie arbeiten gerade am nächsten Projekt zu Literatur im öffentlichen Raum, der "Christoph-Schlingensief-Audiotour".

Ein Überblick über die verschiedenen Projekte zu „Literatur im öffentlichen Raum“ des literaturgebiet.ruhr findet sich hier.

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