Neues aus dem Literaturgebiet

Die Reise des Beifahrers

"Der Beifahrer" von Werner Streletz hat in 10 Jahren schon viele Inkarnationen angenommen, u.a. erschien der Text als Hörfassung mit Joachim Luger.

Jahrelang hat Wolfgang den Rolf in die Nachbarstadt zur Arbeit mitgenommen. Wolfgang am Steuer, Rolf neben ihm, oft zerknirscht, zermürbt von der letzten Nacht. Das ist lange her. Die beiden haben sich aus den Augen verloren. Nun ist Rolf, der lebenshungrige Hallodri, gestorben. Während der Autofahrt zu Rolfs Beerdigung erinnert sich Wolfgang an jene fernen Tage, an eine Zeit der Verlockung und der verpassten Chancen.

„Der Beifahrer“ von Werner Streletz hat eine lange Entstehungsgeschichte. Auf eigenen Erfahrungen während der Fahrten zur Arbeit beruhend, entstand vor rund zehn Jahren zunächst ein prägnantes Gedicht mit eher melancholischem Schluss: Ein Tag, der so anfängt, kann nur mies werden.

 

Als Streletz das Thema des literarischen Roadmovies später wieder aufgreift, hat sich die Spannweite erheblich vergrößert, die Rollenverteilung konkretisiert: Wolfgang, der Mann am Lenkrad, steht nunmehr für einen Biedersinn, der Überraschungen eher meidet, Beifahrer Rolf für Lebensgier, stets nach Abenteuern fahndend. Dieses Spannungsfeld lotet der Text aus – zu wessen Gunsten, bleibt letztlich offen.

 

Die Veröffentlichung des „Beifahrers“ entwickelte sich mehrmedial. So stammt eine Hörversion von Joachim H. Luger (langjähriger Vater Beimer aus der TV-Serie „Lindenstraße“), der sich dem Text mit viel Gespür für die Feinheiten annähert. Erprobt auch bei Veranstaltungen. Der Bochumer Maler Žarko Radić „Žara“ schließlich steuerte kraftvolle Zeichnungen bei. Einen Höhepunkt bildete die szenische Lesung im Bochumer Schauspielhaus: Die Schauspieler Michael Lippold als Wolfgang und Konstantin Bühler als Rolf  brachten den „Beifahrer“ so anschaulich über die Bühne, dass der Text selbst für den Autor eine Wiederentdeckung war.

Der Deutschlandfunk kommentierte: „Dieses Selbstgespräch ist eine schöne Geschichte, die man sich auf einer mittellangen Autofahrt – vielleicht vom Ruhrgebiet hinaus ins Ländliche – von seinem Beifahrer vorlesen lassen könnte.“

 

Die Neuausgabe fasst all diese Stationen des Beifahrers zusammen: Den Text, die Illustrationen des Bochumer Künstlers Žarko Radić, und über einen QR-Code kann zudem nachgehört werden, wie intensiv der Schauspieler Joachim H. Luger das literarische Roadmovie interpretiert hat. Exklusiv für die Neuausgabe hat der Bochumer Kulturredakteur Jürgen Boebers-Süßmann ein profundes Nachwort geschrieben. – Vereint ist also ein Gesamtpaket, eine bibliophile Besonderheit.

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