Hilmar Klute, Was dann nachher so schön fliegt (Galiani 2018)
Das selbstironische Coming-of-Age eines dichtenden Bochumer Zivis im Westberlin der 1980er Jahre erzählt die Literaturgeschichte des Reviers: Illustrer Treffpunkt der Nachkriegs-Avantgarde, Wohn- und Schreibort von Nicolas Born und Ernst Meister, war das Ruhrgebiet eine eigene literarische Szene. Die Realität im Altenheim, fantastische Begegnungen mit der Gruppe 47 und Ränke der Literaturförderszene lehren Held und Lesende, wie mühsam Literatur das Schwere des Lebens erhebt, bis es „nachher so schön fliegt“.
Enis Maci, Eiscafé Europa (edition Suhrkamp 2018)
Enis Maci, die als Theaterautorin in München, Berlin und Wien Furore macht, hat mit ihren Essays in „Eiscafé Europa“ einen sehr eigenen, jungen Ton und Stil gefunden. Sie reflektiert assoziativ, aber gründlich und treffend: Feminismus, Digitalität, Künstlerarbeit sowie die eigene Herkunft zwischen Balkan und Ruhrgebiet: „You can get the girl out of Gelsen, but you can’t get Gelsen out of the girl“.
Sarah Meyer-Dietrich, Ruhrpottkind (Henselowsky und Boschmann 2017)
Der Roman „Ruhrpottkind“ führt zurück in die Achtziger Jahre. Im Mittelpunkt steht die neunjährige Jenni, die in Gelsenkirchen bei ihrer alleinerziehenden Mutter, der Oma und ihrer kleinen Schwester aufwächst. Die bildhafte Sprache der Großmutter beflügelt nicht nur Jennis Phantasie, sie weckt auch Erinnerungen. Sarah Meyer-Dietrich lenkt den Blick unsentimental, hintergründig und voller Humor auf eine Welt aus Gegensätzen.
Eva Sichelschmidt, Bis wieder einer weint (Rowohlt 2020)
Eva Sichelschmidt seziert in „Bis wieder einer weint“ ein Familienleben bis ins schmerzhafte Detail. Der Erfolg der Adenauerjahre soll den tragischen Verlauf einer anfangs glücklichen Liebe vertuschen, die Folgen werden auch bei der Generation danach noch zu spüren sein. Scharf analysiert die Autorin die Gesellschaft, zeichnet klare Charaktere und schafft eine beklemmende Atmosphäre. Ein lesenswerter Nachkriegsroman über den Mythos des deutschen Aufstiegs und die menschliche Wahrheit dahinter.
Karosh Taha, Beschreibung einer Krabbenwanderung (Dumont Verlag 2018)
Karosh Taha verfügt über eine genaue Beobachtungsgabe und beschreibt die Bewohnerinnen und Bewohner der irakisch-kurdischen Community in ihrem Debüt treffend, einfühlsam und nur in den nötigsten Fällen entlarvend. „Beschreibung einer Krabbenwanderung“ mit der rebellischen Sanaa im Zentrum ist ein wichtiges Buch über junge Frauen aus Einwandererfamilien, über die wir sonst wenig lesen. Schon gar nicht in diesem ungewöhnlichen Ton: Karosh Taha schreibt zugleich poetisch, frech und mit befreiendem Humor.