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Literaturpreis Ruhr 2020: Shortlist für den Hauptpreis steht fest

Zum ersten Mal vergibt der Regionalverband Ruhr (RVR) den Literaturpreis Ruhr mit neuem Konzept: Fünf Titel, die die Jury für preiswürdig erachtet, wurden für die Shortlist des Hauptpreises ausgewählt.

Die Shortlist repräsentiert die ganze Vielfalt und Bandbreite der Ruhrgebietsliteratur: mit einem Künstlerroman, einem Debüt, einer Essaysammlung, einem Jugend- und einem Familienroman. Der Hauptpreis ist mit 15.000 Euro dotiert.

Für den Hauptpreis kommen herausragende Titel aus dem Ruhrgebiet und über das Ruhrgebiet in Frage, die in den vergangenen drei Jahren (Januar 2017 bis Ende Februar 2020) erschienen sind. Erstmals konnten auch im Selbstverlag veröffentlichte Bücher vorgeschlagen werden. Der Preisträger bzw. die Preisträgerin wird am 4. September 2020 bekannt gegeben: Ab 19.30 Uhr in allen drei Ruhrgebietslokalzeiten des WDR-Fernsehens.

66 literarische Werke aus unterschiedlichen Genres standen auf der Leseliste der Jury.

Und hier, in alphabetischer Reihenfolge, DIE BESTEN FÜNF:

Hilmar Klute, Was dann nachher so schön fliegt (Galiani 2018)

Das selbstironische Coming-of-Age eines dichtenden Bochumer Zivis im Westberlin der 1980er Jahre erzählt die Literaturgeschichte des Reviers: Illustrer Treffpunkt der Nachkriegs-Avantgarde, Wohn- und Schreibort von Nicolas Born und Ernst Meister, war das Ruhrgebiet eine eigene literarische Szene. Die Realität im Altenheim, fantastische Begegnungen mit der Gruppe 47 und Ränke der Literaturförderszene lehren Held und Lesende, wie mühsam Literatur das Schwere des Lebens erhebt, bis es „nachher so schön fliegt“.


Enis Maci, Eiscafé Europa (edition Suhrkamp 2018)

Enis Maci, die als Theaterautorin in München, Berlin und Wien Furore macht, hat mit ihren Essays in „Eiscafé Europa“ einen sehr eigenen, jungen Ton und Stil gefunden. Sie reflektiert assoziativ, aber gründlich und treffend: Feminismus, Digitalität, Künstlerarbeit sowie die eigene Herkunft zwischen Balkan und Ruhrgebiet: „You can get the girl out of Gelsen, but you can’t get Gelsen out of the girl“.


Sarah Meyer-Dietrich, Ruhrpottkind (Henselowsky und Boschmann 2017)

Der Roman „Ruhrpottkind“ führt zurück in die Achtziger Jahre. Im Mittelpunkt steht die neunjährige Jenni, die in Gelsenkirchen bei ihrer alleinerziehenden Mutter, der Oma und ihrer kleinen Schwester aufwächst. Die bildhafte Sprache der Großmutter beflügelt nicht nur Jennis Phantasie, sie weckt auch Erinnerungen. Sarah Meyer-Dietrich lenkt den Blick unsentimental, hintergründig und voller Humor auf eine Welt aus Gegensätzen.


Eva Sichelschmidt, Bis wieder einer weint (Rowohlt 2020)

Eva Sichelschmidt seziert in „Bis wieder einer weint“ ein Familienleben bis ins schmerzhafte Detail. Der Erfolg der Adenauerjahre soll den tragischen Verlauf einer anfangs glücklichen Liebe vertuschen, die Folgen werden auch bei der Generation danach noch zu spüren sein. Scharf analysiert die Autorin die Gesellschaft, zeichnet klare Charaktere und schafft eine beklemmende Atmosphäre. Ein lesenswerter Nachkriegsroman über den Mythos des deutschen Aufstiegs und die menschliche Wahrheit dahinter.


Karosh Taha, Beschreibung einer Krabbenwanderung (Dumont Verlag 2018)

Karosh Taha verfügt über eine genaue Beobachtungsgabe und beschreibt die Bewohnerinnen und Bewohner der irakisch-kurdischen Community in ihrem Debüt treffend, einfühlsam und nur in den nötigsten Fällen entlarvend. „Beschreibung einer Krabbenwanderung“ mit der rebellischen Sanaa im Zentrum ist ein wichtiges Buch über junge Frauen aus Einwandererfamilien, über die wir sonst wenig lesen. Schon gar nicht in diesem ungewöhnlichen Ton: Karosh Taha schreibt zugleich poetisch, frech und mit befreiendem Humor.

Die nominierten Autor*innen (in umgekehrter Reihenfolge)

Karosh Taha wurde 1987 in Zaxo geboren. Seit 1997 lebt sie im Ruhrgebiet. Sie absolvierte ein Lehramtsstudium an der Universität Duisburg-Essen sowie in den USA und war als Lehrerin für Englisch und Geschichte an einem Essener Gymnasium tätig. Für ihre Texte wurde sie mit verschiedenen Preisen und Stipendien ausgezeichnet, u. a. mit dem Rolf-Dieter-Brinkmann-Stipendium und dem Förderpreis des Landes Nordrhein-Westfalen.

Taha ist nominiert mit ihrem Debütroman Beschreibung einer Krabbenwanderung.

Eva Sichelschmidt wuchs am grünen Rand des Ruhrgebiets auf. 1989 zog sie nach Berlin, wo sie als Kostümbildnerin für Film und Oper arbeitete und erst ein Maßatelier für Abendmode, dann das Geschäft »Whisky & Cigars« eröffnete. 2017 erschien ihr erster Roman, Die Ruhe weg. Sie lebt in Rom und Berlin.

Sichelschmidt ist nominiert mit dem Familienepos Bis wieder einer weint.

Sarah Meyer-Dietrich wurde 1980 geboren und wuchs im Ruhrgebiet auf. Studium der Wirtschafts- und Kulturwissenschaften in Bochum und Hagen. Promotion in Bochum; sie war von 2012 bis 2016 hauptberuflich Geschäftsführerin und Projektmanagerin im Friedrich-Bödecker-Kreis NRW e. V., seit Sommer 2016 arbeitet sie als freie Autorin. Sarah Meyer-Die­trich ist u. a. Gewinnerin des Förderpreises des Literaturpreis Ruhr 2014 und des Ruhrgebietsliteraturwettberbs 2015.

Meyer-Dietrich ist nominiert mit Ruhrpottkind.

Enis Maci, geboren 1993 in Gelsenkirchen, hat Literarisches Schreiben in Leipzig und Kultursoziologie in London studiert. 2010 gewann sie den Förderpreis des Literaturpreis Ruhr. Ihr erstes Stück, Lebendfallen, wurde 2018 am Schauspiel Leipzig uraufgeführt. 2018 und 2019 wurde sie in der Kritikerumfrage von Theater heute zur »Nachwuchsdramatikerin des Jahres« gewählt. 2019 war sie für das im Wiener Schauspielhaus aufgeführte Stück Mitwisser für den Mülheimer Dramatikerpreis nominiert. In der Spielzeit 2018/19 war Enis Maci Hausautorin am Nationaltheater Mannheim und Stipendiatin der Villa Concordia.

Maci ist nominiert mit der Essaysammlung Eiscafé Europa.

Hilmar Klute, geboren in Bochum, ist Streiflicht-Redakteur der Süddeutschen Zeitung. Er hat einige Bücher veröffentlicht, darunter den zeitkritischen Essay Wir Ausgebrannten (2012). 2015 erschien bei Galiani seine »ebenso kluge wie gründliche und liebevolle« (FAZ) Ringelnatz-Biografie War einmal ein Bumerang. Sein literarischer Debütroman Was dann nachher so schön fliegt erschien 2018 und wurde von der Presse hochgelobt. Hilmar Klute lebt in Berlin.

Klute ist nominiert mit dem Künstlerroman Was dann nachher so schön fliegt.

Die Jury zum Hauptpreis 2020

  • Jens Dirksen, Redaktionsleiter Kultur, WAZ
  • Dina Netz, Literaturkritikerin, Deutschlandfunk
  • Karla Paul, Literaturbloggerin, Buchkolumne
  • Dr. Alexandra Pontzen, Universität Essen-Duisburg
  • Margarete Maria Wietelmann, RVR-Kultur- und Sportausschuss

Mehr zu den einzelnen Jurymitgliedern hier.

Über den Literaturpreis Ruhr

Der Literaturpreis Ruhr ist die wichtigste ideelle wie materielle Auszeichnung für Schriftstellerinnen und Schriftsteller, die im Ruhrgebiet leben, sowie für Autorinnen und Autoren von außerhalb, die über die Region schreiben. Er wird seit 1986 jährlich vom Regionalverband Ruhr vergeben und vom Literaturbüro Ruhr organisatorisch und konzeptionell betreut.

Im vergangenen Jahr wurde der Preis neu aufgestellt, die Kategorien geschärft und die Preisgelder erhöht.

Presseinfos zum Literaturpreis Ruhr unter
www.presse.rvr.ruhr

Nach der Preisverkündung im WDR wird „Literaturpreis Ruhr – Der Film“ auf den Webseiten und Social Media-Kanälen von Literaturbüro Ruhr und RVR gepostet. Mona Ameziane (Eins Live) führt durch die am Phönixsee in Dortmund aufgezeichnete Sendung.

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